Textilien als nachhaltige Baustoffe

Gastbeitrag von Andreas Berthel, Geschäftsführender Kaufmännischer Direktor am Sächsischen Textilforschungsinstitut

Bereits seit 1994 veranstalten das Sächsische Textilforschungsinstitut und der Bauindustrieverband, gemeinsam mit weiteren Partnern, alle zwei Jahre das Sächsische Bautextilien-Symposium „BAUTEX“. Die Zielstellung lautete bereits damals: „Aufklärung, Information und Verbreitung einer besonders nachhaltigen und ressourcenschonenden Bauweise – der Bauweise mit Geotextilien“. Entsprechend thematisiert waren die Inhalte – Technische Textilien aus Sachsen, Geotextilien und deren Anwendung, Bauweisen, bisherige Erfahrungen. Begleitet wurden diese Themen durch Beiträge über Entwicklungen bei Prüfungen, Normungsarbeit und Qualitätssicherung.

In den letzten Jahren öffnete sich das Symposion vom Schwerpunkt Erd- und Grundbau ergänzend in Richtung Hochbau. Auch hier können Textilien oder Membranen ihre Stärken eindrucksvoll in den Vordergrund spielen und bieten eine echte Alternative gegenüber konventionellen Bauweisen. Leichtigkeit und Flexibilität, bei gleichzeitiger Robustheit und Langlebigkeit, sind Argumente für den Baustoff Textil. Alles wird leichter und der Materialaufwand auf ein Minimum reduziert. Der Formgebung sind nahezu keine Grenzen gesetzt und bei Bedarf ist die Integration gestalterischer Elemente, wie beispielsweise Farbe oder Licht, problemlos zu realisieren. Aus diesem Grund haben insbesondere Architekten den Baustoff Textil für sich mehr und mehr entdeckt und so mancher „Hingucker“ ist entstanden..

 

 

Nicht zu vergessen ist die Verwendung textiler Strukturen in der Betonbewehrung. Als textile Armierung sorgen spezielle Gitterstrukturen aus Textilglas oder Carbonfasern dafür, dass Bauelemente immer dünner gefertigt werden können. Dies ist mit erheblichen Materialeinsparungen verbunden und führt zu leichteren Bauteilen bei gleichbleibender Funktionalität. Auch hier gewinnt der Baustoff Textil auf Grund seiner Flexibilität an Attraktivität, wie man am Ergebnis eines Forschungsvorhabens mit STFI Beteiligung sehen kann – ein Pavillon aus Beton mit textiler Bewehrung aus Carbonfasern.

 

 

Der Baustoff Geokunststoff

Beispielhafte Anwendungen von Geotextilien, heute als Geokunststoffe bezeichnet, sind der Verkehrswegebau, Eisenbahnbau, der Erd- und Grundbau sowie der Bau von Stützkonstruktionen, Drän- und Erosionsschutzanlagen und der Bau von Rückhaltebecken. Dabei übernehmen die Geokunststoffe Funktionen, wie Trennen, Filtern, Bewehren, Dichten, Schützen oder Dränen.

Neben den unterschiedlichen Technologien zu deren Herstellung forcieren vor allem spezifische Eigenschaften der verfügbaren Rohstoffe eine optimierte und breiter aufgestellte Anwendung von Geokunststoffen. Neben den „traditionellen“ Faserstoffen, wie Polypropylen (PP), Polyethylen (PE), Polyester (PES) und Polyamid (PA) haben sich auch Aramid (AR), Polyvinylalkohol (PVA) und Glasfasern (GL) im Bereich der Geokunststoffe etabliert. Die unterschiedlichen Faserstoffe oder auch Kombinationen daraus, mit ihren ganz spezifischen Eigenschaften, ermöglichen es, die Geokunststoffe auf spezielle Anwendungen/Funktionen gezielt abzustimmen.

Harmonisierte Produktnormen liefern einheitliche Standards für das Inverkehrbringen dieser Produkte (CE-Kennzeichnungspflicht). Prüfnormen zur Charakterisierung verschiedenster Produktparameter oder zum Nachweis der Dauerhaftigkeit, die werkseigene Produktionskontrolle bei den Herstellern, unabhängige, akkreditierte Labore, wie beispielsweise am STFI, oder auch das freiwillige Qualitätssiegel, wie das IVG-Produktzertifikat, stehen heute für eine Vielzahl vertrauensbildender Maßnahmen und für eine sichere Anwendung von Geokunststoffen. Geokunststoffe sind Bauprodukte, die unter kontrollierten, industriellen Bedingungen gefertigt und eine gleichbleibend hohe Qualität ermöglichen.

Geokunststoffe – Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit ganz konkret

Klimawandel, Erderwärmung, Wasserverknappung und Wetterextreme fordern von uns einen nachhaltigen Umgang mit den begrenzt verfügbaren Ressourcen auf unserer Erde. Eine große Herausforderung in Anbetracht der rasant steigenden Bevölkerungszahlen und wachsenden Ansprüchen an Lebensqualität, wie Mobilität und Konsum. So wundert es nicht, wenn Begrifflichkeiten, wie Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, Energieeffizienz und Reduzierung des CO₂-Ausstoßes, unseren Alltag und die Inhalte der Medien bestimmen.

Die Geokunststoffe sind Bauprodukte, mit denen man sehr gut Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit am Beispiel der Schaffung bzw. der Erhaltung der erforderlichen Infrastruktur darstellen und argumentieren kann.

Grundsätzlich stellt die Anwendung von Geokunststoffen zunächst immer eine äußerst wirtschaftliche Alternative zu herkömmlichen Bauweisen mit Blick auf Logistik und Transport dar. Einsparung von Erdarbeiten, Vermeidung von Bodenaustausch und damit erhebliche Reduzierung von Transportwegen führen zu deutlich verkürzten Bauzeiten und deutlichen Kosteneinsparungen. Weniger Transport führt zu weniger Belastung für Mensch, Natur und Infrastruktur. In einem abgeschlossenen Forschungsvorhaben mit STFI-Beteiligung ging es um den Schutzschichtersatz beim Gleisbau für stadtbahnähnliche Leichttriebzüge (Regiosprinter o. ä.) durch einen Geokunststoff. Hier wirkte sich das sehr gute Masse-Leistungsverhältnis der Geokunststoffe gegenüber eines Schutzschichtmaterials (Kiessand) extrem positiv auf den Transportaufwand aus. So sind für die Herstellung von 100 m Gleis lediglich etwa 0,3 t Geotextilien (bei 600 g/m² Flächengewicht) notwendig, während für eine 30 cm dicke Schutzschicht etwa 225 t Kiessand erforderlich sind. Der für den Einbau der Schutzschicht abzutragende anstehende Boden würde etwa die gleiche Masse ausmachen und müsste von der Baustelle abtransportiert werden. Da der Baustellentransport zumeist mit Lkws erfolgt, ist in diesem Zusammenhang, neben den finanziellen Einsparungen, auch die erhebliche Verringerung der Umweltbelastung durch den Baustellenverkehr hervorzuheben.

Weitere Beispiele der besonders nachhaltigen und ressourcenschonenden Bauweise mit Geokunststoffen sind in verschiedenen Studien belegt und durch den Industrieverband Geokunststoffe (IVG) publiziert [1]:

  • Ersetzt eine Trenn-/Filterschicht aus Geokunststoff einen mineralischen Kiesfilter im Straßenbau, beträgt die Reduktion der CO₂-Emission 90 Prozent. Der kumulierte Energieaufwand wird um 90 Prozent reduziert.
  • Bei der Bodenstabilisierung beträgt die Reduktion der CO2-Emission im Vergleich zu Konstruktionen mit Tragschichten aus Kies oder Schotter 10 Prozent. Im Vergleich zur Anwendung von Zement- oder Kalkstabilisierung beträgt die Reduktion 30 Prozent. Die Reduktion des kumulierten Energieaufwands beträgt bis zu 25 Prozent.
  • Bei der Anwendung von Geokunststoffen in einer Dränschicht für die Deponie-Oberflächenabdichtung beträgt die Reduktion der CO₂-Emission alternativ zum Einsatz eines Dränkieses bis 60 Prozent und die des kumulierten Energieaufwands bis 70 Prozent.
  • Die Reduktion der CO₂-Emission bei der Anwendung einer mit Geokunststoff bewehrten Stützkonstruktion im Vergleich zu einer Betonkonstruktion beträgt bis zu 80 Prozent, der Energieaufwand wird um bis zu 75 Prozent reduziert.

Noch ein letztes Beispiel aus dem Deponiebereich, ebenfalls veröffentlicht über den IVG [2]:

In der Regelbauweise ist zur Abdichtung einer Deponie eine mindestens 50 cm dicke mineralische Dichtungsschicht gefordert. Im konkreten Beispiel ging es um eine abzudichtende Oberfläche von 4.500 m². Bei einer Schichtdicke von 0,5 m ergibt sich ein Bedarf an mineralischer Dichtung von 2.250 m³. Dies würde, je nach Transportvolumen, zwischen 175- und 225-Lkw-Ladungen bedeuten. Durch die Verwendung einer industriell gefertigten mineralischen Dichtungsbahn war für deren Anlieferung (22 Rollen) lediglich ein LKW erforderlich.

Status Quo

Mit den Erfahrungen aus verschiedensten Anwendungen und Projekten steht mit den Geokunststoffen nunmehr ein Baustoff zur Verfügung, der besser wie kaum ein anderer in die Forderungen der heutigen Zeit von Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung passt. Die Branchenkenner wissen aber auch, dass das wahre Potential der Geokunststoffe noch längst nicht ausgeschöpft ist. So wird, ob als Geokunststoff oder reines Textil, ein erhebliches Anwendungspotential bei der fortschreitenden Urbanisierung gesehen. Dachbegrünung, urbane Gärten oder die erdlose Begrünung – urbanes Grün trägt zur Verbesserung der Lebensqualität in Städten bei. Neben den Funktionalitäten, wie Luftreinhaltung, Regelung von Temperatur und Feuchtehaushalt (Stadtklima) werden auch ästhetische Aspekte bedient.

Die weitere Verbreitung und Anwendung „Bauen mit Textil“ muss daher weiter vorangetrieben werden. Ausschreibende Stellen, Baufirmen, Ingenieurbüros müssen mehr auf den äußerst effizienten Baustoff Geokunststoff aufmerksam gemacht werden.

[1] Norbert Wagner, IVG, https://www.ivgeokunststoffe.de/Umwelt/DE_index_1271.html
[2] IVG.NEWS, 02/2020, www.ivgeokunststoffe.de

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