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Hubertus Nelleßen

Aktuelle Untersuchung des Verfahrens der „Behördenschlichtung“ nach §18 (2) VOB/B

     

Die deutsche Bauwirtschaft ist durch ein hohes Konfliktpotenzial gekennzeichnet. Lange Projektlaufzeiten und eine ausgeprägte technische wie organisatorische Komplexität bedingen Unwägbarkeiten und Anpassungserfordernisse, die regelmäßig in Streitigkeiten münden. Wenngleich Zivilprozesse in Bausachen hinsichtlich Dauer, Kosten und Entscheidungsqualität allzu häufig nur Ernüchterung bringen, ist der Gang vor Gericht nach wie vor das Mittel der Wahl. Wird nicht explizit ein alternatives Streitlösungsverfahren vereinbart, steht dem öffentlichen Bau allein die sog. „Behördenschlichtung“ gem. §18 (2) VOB/B zur Verfügung, die aktuell jedoch kaum Anwendung findet. Zur Untersuchung der Anwendungshemmnisse hat das Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb der TU Berlin eine empirische Studie durchgeführt, die den Erfahrungsschatz von 40 öffentlichen Stellen und 36 Bauunternehmen erfasst.

Danach wird die aktuelle Praxis des Verfahrens gem. §18 (2) VOB/B als insgesamt nicht zufriedenstellend wahrgenommen. Die Umsetzungs- wie auch Entscheidungsqualität wird von über 50 Prozent der Unternehmen als unzureichend empfunden. Auch werden regelmäßig Objektivität und Fachkompetenz der vorgesetzten Stelle angezweifelt. Wenngleich etwa die Hälfte aller Verfahren zum Erfolg führten, also ein Gerichtsprozess vermieden werden konnte, fehlt es essenziell an Vertrauen. Einem Viertel der Auftragnehmer war nicht einmal bekannt, wer die Rolle der vorgesetzten Stelle übernimmt.

Um eine möglichst zügige Konfliktbeilegung zu erreichen, wurde das Verfahren gem. §18 (2) VOB/B ursprünglich zur baubegleitenden Lösung ‚einfacher‘ Sachverhalte entwickelt. Tatsächlich sind jedoch in den meisten Fällen z. T. sehr komplexe Vergütungs- und Bauzeitthemen streitgegenständlich, die überdies häufig erst nach Abschluss der Baumaßnahme (60 %) gebündelt in das Verfahren kommen. Nicht zuletzt deswegen ist die teils erheblich längere Verfahrensdauer, als die gesetzlich vorgesehenen zwei Monate, kaum überraschend.

Letztlich bedarf das Verfahren gem. §18 (2) VOB/B einer grundlegenden Modifikation, wenn es eine nennenswerte Alternative zum Gerichtsweg darstellen soll. Eine schnelle und effektive Methode zur außergerichtlichen Streitbeilegung bei öffentlichen Bauaufträgen ist betriebs- und volkswirtschaftlich unabdingbar und muss für alle Parteien gleichermaßen attraktiv werden.

Mehr Informationen finden Sie auf der Webseite des Fachgebiets Bauwirtschaft und Baubetrieb der TU Berlin: www.bau.tu-berlin.de/bauwirtschaft/menue/forschung

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