Kommunen als Auftraggeber

Gastbeitrag von Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig und Präsident des Deutschen Städtetages

Die Kommunen leisten die Hälfte der öffentlichen Sachinvestitionen und zwei Drittel der öffentlichen Bauinvestitionen in Deutschland. Das ist ein Pfund. Und das ist richtig so. Denn es geht um lebenswerte Städte für unsere Bürgerinnen und Bürger. Es geht um die Frage, wie sehen die Schulen der Zukunft aus, wie die Kita und das Vereinsheim. Handwerk und Bauwirtschaft hängen an den kommunalen Investitionen. Sie sind Perspektive für Handwerk und Bauwirtschaft. Umso wichtiger ist es die Investitionsfähigkeit der Kommunen zu erhalten. Auch in Krisenzeiten.

Ausgangslage nach der Vereinigung

Nach der Vereinigung 1990 bestanden große Herausforderungen für Kommunen und die Bauindustrie. Die Infrastruktur sowie die öffentlichen Gebäude (Straßen, Schulen, Kindergärten, Bäder, Wohnungen, Verwaltungsgebäude) waren stark sanierungsbedürftig. Allerdings war die finanzielle und personelle Ausstattung der Kommunen zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich als gut zu bezeichnen. Eine umfassende und qualitätsvolle, auch energetische Sanierung bzw. der Neubau schienen für viele Kommunen ohne finanzielle Hilfe von Bund und Ländern nicht durchführbar. Eines der wichtigsten Finanzierungsinstrumente war und ist die Städtebauförderung.

Durch den von Bund, Ländern und Kommunen geschlossenen Investitionspakt wurde den Kommunen ab dem Jahr 1990 ein neues Finanzierungsinstrument für die Behebung städtebaulicher Missstände, die energetische Sanierung von Schulen, Kindergärten, Sportstätten und sonstiger Infrastruktur an die Hand gegeben. Das Hauptziel der Städtebauförderung ist es, die Städte und Gemeinden nachhaltig als Wirtschafts- und Wohnstandorte zu stärken und entgegenstehende Mängel oder Missstände dauerhaft zu beheben. Die Bauindustrie hat sich seitdem als verlässlicher Partner bewährt, auch wenn die Auftragsvergaben und deren Abwicklung nicht immer völlig problemlos verliefen bzw. verlaufen. Dafür aber ist die öffentliche Hand als Auftraggeber fast kontinuierlich präsent – auch wenn der private Sektor als Auftraggeber mal Schwierigkeiten hat oder teilweise sogar ausfällt.

Kommunen als öffentliche Auftraggeber

Die Kommunen nehmen mehrere Funktionen gleichzeitig wahr. Zum einen schaffen sie Baurecht und zum anderen sind sie ein großer und bedeutender öffentlicher Auftraggeber. Sie sind anders als private Auftraggeber an die Regeln des Vergaberechts gebunden. Hintergrund sind der sparsame Umgang mit öffentlichen Mitteln und das Wettbewerbsgebot. Deshalb haben sie sowohl in nationalen als auch bei europaweiten Ausschreibungsverfahren bestimmte Verfahrensschritte zwingend zu beachten. Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) ist die zentrale Norm. Sie wurde bereits mehrfach novelliert und der aktuellen Situation angepasst. Gleichwohl wird ihr häufig auch von Seiten der Auftragnehmer eine die Bautätigkeit hemmende Wirkung nachgesagt. Diesem Argument ist in Teilen zuzustimmen.

Die VOB/A hat zwar durchaus ihre Berechtigung und sorgt für Wettbewerb unter den Auftragnehmern und soll damit wirtschaftliche Angebote sicherstellen. Aber ob dies immer der Fall ist, erscheint fraglich, insbesondere in Zeiten guter Konjunktur und damit erhöhter Baunachfrage, wie sie in den Zeiten vor Corona festzustellen war. Auch die Kommunen wünschen sich eine Vereinfachung des Vergaberechts, um Bauvorhaben zügiger abwickeln zu können. Kommunen wollen ihre Aufträge unbürokratischer, schneller, effektiver und wirtschaftlicher durchführen. Auf Seiten der Auftragnehmer soll wiederum der Effekt einer verbesserten und größeren Bereitschaft zur Vorlage von Angeboten bei Ausschreibungen erreicht werden.

Vereinfachung des Vergaberechts

Vor diesem Hintergrund hat der Deutsche Städtetag gemeinsam mit den beiden anderen kommunalen Spitzenverbänden im Jahr 2019 zur praxisgerechteren Anwendung des Vergaberechtes Vorschläge erarbeitet, die leider seitens der Bundesregierung nach kontroversen Diskussionen mit den Betroffenen nicht umgesetzt wurden. Wir haben angeregt, die Verfahrensvorschriften im Bereich oberhalb der EU-Schwellenwerte strukturell zusammenzuführen. Zusätzlich wollen wir gerne durch eine einheitliche Vergabeverordnung auch im Unterschwellenbereich die bestehenden Regelungen der Unterschwellenvergabeordnung sowie der VOB/A zusammenführen. Eine strukturelle Vereinfachung des Vergaberechts unter Wegfall formell einengender Vorgaben erscheint nicht zuletzt deshalb zwingend, damit öffentliche Auftraggeber und insbesondere Kommunen bei öffentlichen Ausschreibungen mehr Bieterangebote erhalten. Wie bereits erwähnt, ist zumindest bis Corona eine zunehmend geringe Beteiligung von Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen festzustellen. Das führt zu deutlich angehobenen Baupreisen und damit zur Aufhebung von öffentlichen Vergabeverfahren. Und daran können weder die Bauwirtschaft noch die öffentlichen Auftraggeber ein Interesse haben. Eine Umfrage des Deutschen Städtetages bei seinen Mitgliedern Ende 2018 hat diesen Trend bestätigt. Allerdings wurde hier auch deutlich, dass neben dem Vergaberecht überwiegend die gute Auslastung der Bauunternehmen zu diesem Ergebnis geführt hat. Nach der Corona-Pandemie gehen wir von einer abweichenden Lage aus; diese hat sich in den letzten Monaten durch die zahlreichen Sanierungsmaßnahmen bspw. im Schul- und Kindergartenbau der Kommunen bewahrheitet.

Konjunkturpakete 2009

In den Jahren nach der Vereinigung war aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen der Kommunen bis weit in die 2000er Jahre auch Zurückhaltung bei der Auftragsvergabe der Kommunen festzustellen. Damit waren auch erhebliche Einbrüche in der Bautätigkeit verbunden. Zu erwähnen ist zum einen die Finanzkrise und die damit einhergehende weltweite Konjunkturabschwächung im Jahr 2009 sowie die aktuelle Entwicklung aufgrund der Corona-Pandemie. In beiden Krisen haben die kommunalen Spitzenverbände die Beschleunigung der Bauvergaben als Motor der Konjunktur gefordert. Aus diesem Grund haben sie das Konjunkturpaket II aus dem Jahr 2009 sehr begrüßt. Es sah u. a. auch Zukunftsinvestitionen der öffentlichen Hand in Höhe von rund 10 Mrd. Euro für Investitionen der Kommunen und Länder sowie eine Beschleunigung von Investitionen durch Vereinfachung des Vergaberechts vor.

Konjunkturpakete in Zeiten von Corona

In den Zeiten der Corona-Pandemie sind sich der Deutsche Städtetag sowie die Kommunen ihrer Verantwortung als öffentlicher Auftraggeber und Partner der Bauindustrie bewusst. Deshalb haben die kommunalen Spitzenverbände auch aktuell eine Vereinfachung des Vergaberechts gefordert und setzen alles daran, trotz der akuten und sich weiter anbahnenden Finanznot in zahlreichen Städten die öffentlichen Investitionen nicht zurückzufahren. Obwohl die Kommunen aufgrund des erheblichen Ausfalls der Gewerbesteuern wahrscheinlich weniger öffentliche Ausschreibungen werden durchführen können, setzen sie sich weiterhin für eine Beschleunigung von Vergabeverfahren ein. Die vom Bund im Zuge der Corona-Pandemie vorgesehenen Erleichterungen des Vergaberechts wurden deshalb vom Deutschen Städtetag und den anderen kommunalen Spitzenverbänden begrüßt.

Beschluss des Koalitionsausschusses zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie

Die kommunalen Spitzenverbände haben deshalb auch den Beschluss des Koalitionsausschusses auf Bundesebene am 3. Juni 2020 zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie sehr begrüßt. Dieser sieht unter vielem anderem vor, dass zur schnellen Umsetzung der öffentlichen Investitionsmaßnahmen in konkrete Investitionsprojekte das Vergaberecht temporär vereinfacht werden soll, etwa durch eine Verkürzung der Vergabefristen bei EU-Vergabeverfahren und die Anpassung der Schwellenwerte für beschränkte Ausschreibungen und freihändige Vergaben in Deutschland. Zudem ist die Koalition bestrebt, die Europäische Ratspräsidentschaft Deutschlands zu nutzen, um auf europäischer Ebene ein Programm zur Entbürokratisierung, zur Beschleunigung des Planungsrechts, zur Vereinfachung des Vergaberechts und zur Reform des Wettbewerbsrechts anzustoßen.

Die kommunalen Spitzenverbände haben diese Initiative der Koalition, die auch auf die Aktivitäten im Rahmen der am 1. Juli 2020 beginnenden deutschen EU-Präsidentschaft abstellt, zum Anlass genommen, gegenüber der Bundesregierung die Erhöhung der Auftragswerte für beschränkte und freihändige Vergaben im Bereich nationaler Vergabeverfahren zu fordern. Hier sollten für Bauvergaben beschränkte Ausschreibungen bis 3 Mio. Euro sowie freihändige Vergaben bis 1 Mio. Euro Auftragswert jeweils ohne Teilnahmewettbewerb zulässig sein.

Diese Forderung an den Bund im Bereich der Unterschwellenvergaben wird überraschen, da die Länder für diesen Bereich zuständig sind. Die kommunalen Spitzenverbände haben allerdings bei der Umsetzung des Konjunkturpakets II im Jahr 2009 die Erfahrung gemacht, dass der Bund durch vergaberechtliche Erleichterungen für die Vergabestellen des Bundes maßgebliche Impulse für die Länder und damit im Ergebnis auch für die Kommunen gesetzt hat. Deshalb unterstützen die kommunalen Spitzenverbände nachdrücklich vergaberechtliche Erleichterungen, die im Ergebnis schnelle kommunale Investitionen u. a. in die klimafreundliche Sanierung kommunaler Gebäude oder in die Verkehrswende ermöglichen. Die genannten Vereinfachungen müssen über die befristeten Vereinfachungen in Bund und Ländern hinausgehen und für mindestens drei Jahre gelten.

Auch die Erhöhung der Auftragswerte für Direktauftragsvergaben bei Bauvergaben bis zu 15.000 Euro Auftragswert ist aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände erforderlich. Dieses vor dem Hintergrund, dass die in der VOB/A geregelten Wertgrenzen für Direktaufträge deutlich zu gering sind. Sie entsprechen auch nicht den z. T. massiv gestiegenen Bauangebotspreisen.

Mangelnde Zahlungsmoral der kommunalen Auftraggeber

Die kommunalen Auftraggeber sind oft dem Vorwurf fehlender Zahlungsmoral ausgesetzt. Dieser Vorwurf kann allerdings schnell widerlegt werden. Nachfragen bei den Kommunen haben gezeigt, dass in der Regel formale Gründe auf Seiten der Auftragnehmer als Grund für die aus Sicht der Bauindustrie verspätete Zahlung ursächlich sind. Häufig sind die vorgelegten, nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden und damit nicht prüffähigen Rechnungen gemäß der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure die Ursache.

Fazit

Damit bleibt festzuhalten: Die Kommunen waren und sind einer der größten Auftraggeber der Bauindustrie. Sie setzen sich deshalb auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten für Konjunkturpakete sowie die Vereinfachung des Vergaberechts ein zur Sicherung der Aufträge in der Bauindustrie. Und wenn es dennoch zu Beschwerden seitens der Bauwirtschaft kommen sollte – die bauplanenden, bauschaffenden und baubegleitenden Verwaltungen der Kommunen wissen genauso gut wie wir alle, dass wir aufeinander angewiesen sind. Genauso wie wir keine unbegründet überhöhten Angebote in Zeiten heißer Baukonjunktur wollen, will die Bauwirtschaft keine Zahlungsverzüge – wir sind aufeinander angewiesen, treffen uns stets wieder und sollten daher stets eine gute Kultur des Miteinanders zwischen Bauwirtschaft und Kommunen pflegen.

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