Verbandsarbeit: Grundsatzpapier Nachhaltigkeit
Der Bauindustrieverband Ost e. V. (BIVO) hat ein Grundsatzpapier zur Ausrichtung der Verbandsarbeit im Rahmen des Projekts Nachhaltigkeit aufgelegt und durch sein Präsidium verabschiedet.
Zu den Details:
1. Zukunftsthema Nachhaltigkeit
Zusammen mit der Fachkräftegewinnung und der Digitalisierung stellt das Thema Nachhaltigkeit global, national und lokal eines der wichtigsten Zukunftsthemen unserer Branche dar. Gleichzeitig bietet der Begriff unterschiedlichen Stakeholdern (Staaten, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Wissenschaft) viel Auslegungsspielraum und ist daher zunächst entsprechend der Rahmenbedingungen in der Bauwirtschaft einzuordnen.
2. Historische Entwicklung
Die erste Definition des Begriffes „Nachhaltigkeit“ wurde im Zusammenhang mit der Forstwirtschaft von Carl von Carlowitz (1645-1714) aufgegriffen. Die weitere Entwicklung zu einer formaljuristischen Definition wurde im sog. Brundtland-Bericht (1987) der Vereinten Nationen (UN) festgehalten. Die Beschlüsse der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung von Rio de Janeiro (1992) sowie die UN-Agenda 2030 von New York (2015) sind weitere Meilensteine. Sie untermauern die Notwendigkeit und Weiterentwicklung des Nachhaltigkeitskonzeptes im Kontext von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Überbevölkerung. Die UN-Beschlüsse gelten als das Fundament für gegenwärtige politische Strategien vieler Regierungen und Unternehmen.1,2
Konkret umfasst die UN-Agenda 2030 insgesamt 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals - SDGs)3. Sie dient auch als Grundlage für die nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung aus dem Jahr 2016 (aktualisiert März 2021)4. Die Ziele der UN-Agenda 2030 umfassen insbesondere die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: die ökonomische, ökologische sowie soziale. Keine dieser Dimensionen wird priorisiert, sondern alle Ziele werden gesamtheitlich in ihrer Wechselwirkung und in gegenseitiger Abhängigkeit betrachtet.
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1 Bonava (2022): https://www.bonava.de/ueber-uns/nachhaltigkeit
2 Strabag SE (2022): https://www.strabag.com/databases/internet/_public/content.nsf/web/DE-STRABAG.COM-CRbericht.html
3 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2022): Die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung: https://www.bmz.de/de/agenda-2030
4 Die Bundesregierung (2021): https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/eine-strategie-begleitet-uns/deutsche-nachhaltigkeitsstrategie
3. Drei Dimensionen von Nachhaltigkeit
In Anbetracht der obigen Rahmenbedingungen muss die Bauindustrie und der Bauindustrie-verband Ost durch ein Spannungsfeld aus einer Vielzahl von Interessengruppen navigieren. Im Wechselspiel zwischen Bauindustrie und öffentlichen Auftraggebern, Wettbewerbern, der Zivilgesellschaft etc. kommt es einerseits auf die Wirtschaftlichkeit und Effizienz an. Auf der anderen Seite besteht die Anforderung, sozial gerecht und ökologisch tragfähig zu sein.5
- Ökonomische Dimension: Nachhaltige Unternehmen sind zwar in erster Linie, aber nicht ausschließlich gewinnorientiert. Sie legen zusätzlich Wert darauf, heutigen und künftigen Generationen eine hohe Lebensqualität zu ermöglichen. Dazu gehört beispielsweise die Förderung von Forschung und Entwicklung sowie der Einsatz von innovativen Technologien (digitale Transformation), die sich durch umweltschonende Verfahren und (Bau-)Materialien auszeichnen. Es wird verantwortungsvoll und generationengerecht gewirtschaftet.
- Ökologische Dimension: Es geht hier um die natürliche Umwelt, die es zu schonen und zu erhalten gilt. In diesem Sinne achten nachhaltige Unternehmen zum Beispiel auf den bewussten und sparsamen Umgang mit Ressourcen. Sie verwenden möglichst nachwachsende Rohstoffe und streben deren Erhalt, Wiederverwendung und -verwertung an. Sie nutzen erneuerbare Energien und optimieren ihre Prozesse entlang der Wertschöpfungskette hinsichtlich Energieeffizienz und Treibhausgasemissionen. Auf umweltschädliche Verfahren oder Handlungsweisen wird möglichst verzichtet.
- Soziale Dimension: Soziale Verantwortung übernehmen und die Gewährleistung von Arbeitssicherheit gehören ebenso zu nachhaltigem Handeln. Das umfasst menschenwürdige Arbeitsbedingungen auch innerhalb der Lieferkette und die Wertschätzung von Mitarbeiter*innen im Betrieb. Themen wie Chancengleichheit, Gesundheit, Diversität und Work-Life-Balance gehören ebenfalls zur sozialen Dimension von Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeit ist ein vielschichtiges Querschnittsthema, welches ganzheitlich betrachtet werden muss. Internationale und nationale Gesetze, Richtlinien und Initiativen, wie zum Beispiel das Klimaschutzgesetz, der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK), Corporate Social Responsibility (CSR) bzw. dessen Erweiterung zu Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) (qualitative KPI), sowie die Environmental, Social and Governance (ESG)6 Richtlinien der EU (quantitative KPI), die Global Reporting Initiative (GRI) und aktuell die EU-Taxonomie7 fordern immer mehr nachhaltiges Handeln von Unternehmen ein.
Insbesondere die Bauwirtschaft in ihrer gesamten Wertschöpfungskette als großer Treibhausgasemittent sowie Auftragnehmer von öffentlichen Projekten müssen zunehmend nachhaltige Kriterien erfüllen, um bei Vergaben den Zuschlag bekommen zu können. Um den andernfalls drohenden Rückgang von Aufträgen bzw. Umsatzeinbußen entgegenzuwirken, benötigen die Bauunternehmen Unterstützung bei den erforderlichen Veränderungen.8
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5 Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI): https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/downloads/Webs/BMWSB/DE/publikationen/bauen/leitfaden-nachhaltiges-bauen.html
6 Rödl und Partner (2020) „Die Bedeutung von ESG-Kriterien bei der Unternehmensbewertung“: https://www.roedl.de/themen/internationale-unternehmensbewertung/esg-kriterien-rating-environmental-social-governance-corporate-social-responsibility-csr-nachhaltigkeit
7 Rödl und Partner (2022) „Die EU-Taxonomie in der Praxis: Was Unternehmen über die neue Verordnung wissen sollten“: https://www.roedl.de/themen/nachhaltigkeit-csr/eu-taxonomie-2022-green-deal-aktionsplan-klimaneutralitaet
8 Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (2022): https://www.nachhaltigesbauen.de/
4. Ausrichtung der Verbandsarbeit
Der Bauindustrieverband Ost versteht Nachhaltigkeit als die Summe der Nachhaltigkeitsentwicklungen in seinen Mitgliedsunternehmen und die seiner internen Prozesse. Die Nachhaltigkeitsarbeit soll parallel zu der Bearbeitung der weiteren Zukunftsthemen Fachkräftegewinnung und Digitalisierung erfolgen und grundsätzlich an der beschriebenen Einordnung des Begriffs Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. Als Ausgangspunkt hierfür dient der Inhalt des Schwarzbuches „Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Bauwirtschaft“, dass der Bauindustrieverband Ost im Jahr 2021 veröffentlicht hat.
Der Bauindustrieverband Ost wird die Nachhaltigkeitsentwicklungen seiner Mitgliedsunternehmen unterstützen und begleiten, sie mit relevanten Akteuren aus der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Verwaltung vernetzen. Hierzu gehört auch, ihre Anliegen, wie auch zu anderen Themen, der Öffentlichkeit über alle verfügbaren Kanäle zu kommunizieren und ein nachhaltiges Image für die ostdeutsche Bauindustrie aufzubauen, zu pflegen und zu stärken. Für die Mitgliedsunternehmen relevante Themen wie z. B. lebenszyklusbasiertes Planen (insbesondere im Hochbau), die Reduzierung von Treibhausgasemissionen, alternative Bauverfahren (wie z. B. serielles und modulares Bauen, 3D-Druckverfahren), die Zusammenarbeit mit der öffentlichen Verwaltung, Wiederverwertung und Deponierung (mineralische Bauabfälle, Recycling von Baustoffen, Deponieknappheit) und Nachhaltigkeitsanforderungen bei Ausschreibungen werden hierbei besonders im Fokus stehen.
Die kürzlich gegründete Projektgruppe Nachhaltigkeit innerhalb des BIVO-Hauptamtes erhält dadurch einen internen und gemeinsam erarbeiteten Handlungsrahmen – insbesondere für die drei aktuellen in ihren Dimensionen als gleichranging berücksichtigten Teilprojekte:
- Vom Bauindustrieverband Ost organisierte Nachhaltigkeitsveranstaltung am 25. April 2023: zur Kommunikation und zum Austausch zwischen den Mitgliedsunternehmen und weiteren Akteuren am Markt und der Baubranche, wie z. B. Gesetzgebern, Gemeinden, Lösungsanbietern inkl. Start-ups (sog. ConTechs).
- Nachhaltige Entwicklung der verbandsinternen Prozesse: Betrachtung und Bewertung in ihrer Nachhaltigkeitswirkung. Unter anderem soll in der weiteren Arbeit mit den Mitgliedsunternehmen eine Diskussion zur Klimaneutralität des Verbandes angestoßen werden.
- Weiterbildungsangebote der Bauakademie Ost im Bereich Nachhaltigkeit: Wissensmanagement organisieren und die bestehenden Schnittstellen zu anderen Aspekten der bauwirtschaftlichen Wertschöpfungskette ausbauen, Wissenstransfer in die Mitgliedsunternehmen hinein und Netzwerke aufbauen.
- Im Bauindustrieverband Ost ist ein Gesprächskreis Nachhaltigkeit (niedrigschwellig) gegründet worden, in dem die Mitgliedsunternehmen die Möglichkeit haben, Nachhaltigkeitsthemen untereinander regelmäßig zu besprechen. Alle Mitgliedsunternehmen sind zur Teilnahme am Gesprächskreis Nachhaltigkeit willkommen.
In der Gremienarbeit wird der Bauindustrieverband Ost die Bearbeitung des Themenbereichs Nachhaltigkeit weiter intensivieren. Wie oben erwähnt, wurde im dritten Quartal 2022 eine Projektgruppe Nachhaltigkeit gegründet. Des Weiteren wirkt der Bauindustrieverband Ost ab 2023 aktiv im Arbeitskreis Nachhaltigkeit des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie mit. Das Thema Nachhaltigkeit wird zudem zukünftig fester Bestandteil der Präsidiumssitzungen werden.
Die Arbeit und – soweit möglich und sinnvoll – die Investitionstätigkeit des Verbandes sollen zukünftig unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit organisiert werden. Dazu wird das die Verbandsgeschäftsführung bis zum 31.12.02023 ein konkretes Maßnahmenpaket erarbeiten und dem Präsidium vorlegen.
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