Positionspapier zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
Am 6. Juni 2021 wird der Landtag von Sachsen-Anhalt neu gewählt. In den letzten vier Jahren hat sich im Land viel bewegt. Dank der guten Konjunktur und gefüllter Staatskassen konnte beispielsweise der Investitionsstau in vielen Bereichen verringert werden. Dennoch steht die künftige Landesregierung vor großen Herausforderungen. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie werden nur durch konsequente Investitionen behoben werden können.
Zukunftsthemen sind neben der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum vor allem die Bereitstellung einer modernen Bildungs- und Verkehrsinfrastruktur sowie der Breitbandausbau im Land Sachsen-Anhalt. Grundlegend dafür sind gute Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft, aber auch für die öffentliche Hand als Auftraggeber. Es geht also darum, die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen. Der Bauindustrieverband Ost e. V. formuliert die zentralen Erwartungen an eine neue Landesregierung.
Corona-Pandemie nachhaltig bewältigen
Die Corona-Pandemie ist die größte innerdeutsche Krise seit dem zweiten Weltkrieg. Neben den gesellschaftlichen Folgen gilt es, die wirtschaftlichen Entwicklungen auch nach der Bewältigung der Pandemie in den Blick zu nehmen. Als Impulsgeber für Investitionen müssen alle staatlichen Ebenen zusammenarbeiten und nicht in eine Dekade der Konsolidierung verfallen.
Die Bauindustrie Ost fordert:
- Konsequente Veröffentlichung ausschreibungswürdiger, eingeplanter Bauprojekte
- Finanzielle Unterstützung der Kommunen bei steuerlichen Mindereinnahmen
- Ganzjährige Ausschreibung zur Vermeidung von Kapazitätsengpässen
Bündelung von Kompetenzen
Bauen ist eine politische Querschnittsaufgabe, die von der Planung über die Finanzierung bis hin zur Durchführung eine Vielzahl von Ministerien und Behörden auf mehreren Ebenen beschäftigt. Die stetige, ministeriums- und behördenübergreifende Zusammenarbeit bindet Kapazitäten, verlangsamt den Bauprozess und birgt Risiken für Fehler.
Die Bauindustrie Ost fordert:
- Bündelung von Kapazitäten in einem eigenständigen Bauministerium
- Schaffung von wenigen, zentralen Ansprechpartnern für ausführende Unternehmen
- Regelmäßige ministerielle Schulungen, um das Verwaltungshandeln zu beschleunigen
Wohnungsnot lösen
Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist die entscheidende soziale Frage dieses Jahrzehnts. Bundesweit steigen die Mietpreise gerade in mittelgroßen Städten massiv an. Dies kann und wird man auch in Zukunft in den Ballungsgebieten Halle-Leipzig und Magdeburg sehen. Diese Entwicklung stellt vor allem Studierende und Rentner vor teils nicht lösbare Probleme. Um die Wohnungsnot zu verringern, hilft langfristig nur das zügige Bereitstellen von neuem Wohnraum mit einem schnelleren Planungs- und Bauprozess.
Die Bauindustrie Ost fordert:
- Förderung des seriellen Bauens
- Stärkung des sozialen Wohnungsbaus
- Schnellere Ausschreibung von Bauland in Randbezirken
Investitionsstau bei Infrastrukturvorhaben abbauen
Vor dem Hintergrund des teils schlechten Zustands des Schienen- und Straßennetzes und des massiven Strukturwandels im Mitteldeutschen Braunkohlerevier, ist der Abbau des Investitionsstaus bei Infrastrukturvorhaben dringend geboten.
Die Bauindustrie Ost fordert:
- Entbürokratisierung von Ausschreibungsverfahren
- Schaffung von Planungskapazitäten in den Verwaltungen
- Konsequente Nutzung von EU- und Bundesfördermitteln
Breitbandausbau zügig umsetzen
Der zügige Breitbandausbau ist für die dezentral agierende Bauwirtschaft ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Jenseits der Ballungsräume ist es teils unmöglich, die erforderlichen großen Datenmengen zu versenden – eine Grundvoraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im ländlichen Raum. Das Gigabit-Ziel 2025 kann allerdings nur durch den Ausbau der Planungskapazitäten in den Bauämtern sowie eine praxisnahe Entbürokratisierung der Bundesförderrichtlinie erreicht werden.
Die Bauindustrie Ost fordert:
- Leerrohrverlegung als Standard bei Straßenneubau und -sanierung
- Aufbau von Planungskapazitäten in den Bauämtern
- Bürokratieabbau bei Bewilligungs- und Antragsverfahren
Building Information Modeling vorantreiben
Mit der Methode Building Information Modeling (BIM) werden alle relevanten Gebäudedaten digital erfasst, kombiniert und miteinander vernetzt. Die Bauindustrie sieht BIM daher als wichtiges Instrument, um Planungsfehler zu vermeiden und den Informationsaustausch zwischen allen Planungsbeteiligten zu verbessern. Damit wird eine Steigerung der Planungsqualität erreicht sowie eine zuverlässigere Mengenermittlung, eine Optimierung der einzelnen Bau- sowie Logistikprozesse und letztendlich eine erhöhte Kosten- und Terminsicherheit ermöglicht.
Die Bauindustrie Ost fordert:
- Schaffung eines Landeskompetenzzentrums für BIM
- Stufenweise Einführung von BIM bei Landesbauprojekten
- Politische Festlegung eines Softwarestandards
Digitalisierung der Verwaltungen durchsetzen
Die staatlichen Stellen müssen sich noch stärker als bisher als Dienstleister für Bürger und Unternehmen verstehen. Auch hierfür wurde das Onlinezugangsgesetz geschaffen, das die Maßgabe definiert, bis Ende 2022 alle Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten. Dafür ist eine Digitalisierungsoffensive zu starten, die eine vollständige, medienbruchfreie und vor allem schnelle Kommunikation zwischen Verwaltung und Kunden erlaubt. Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungsebenen muss vor allem auch ressortübergreifend ermöglicht werden. Für die Bauwirtschaft ist es essentiell, für die notwendigen vielfältigen Genehmigungsverfahren eine zentrale Anlaufstelle einzurichten, bei der alle Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand „Bauen“ etwa bei Anträgen auf Zulassungen im Rahmen eines Bauvorhabens zusammengefasst werden.
Die Bauindustrie Ost fordert:
- Einheitliche Hard- und Software für alle öffentlichen Verwaltungen im Land
- Ressortübergreifende Anwendung digitaler Prozesse
- Konsequente und zeitnahe Umsetzung der Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes
Öffentliche Aufträge wieder attraktiv gestalten
Durch veraltete Kostenschätzungen laufen die Kalkulationen der öffentlichen Auftraggeber jenen der Bauunternehmen zuwider. Ein Ärgernis für Verwaltung und Unternehmen ist die daraus oftmals resultierende Aufhebung von Ausschreibungen. Verbunden mit den langen Bearbeitungszeiten von Genehmigungen und diversen Unterlagen werden dem Markt somit Kapazitäten entzogen, die für die erforderlichen Baumaßnahmen dringend benötigt würden. Dieser Prozess muss in der neuen Legislaturperiode im Blick behalten werden.
Die Bauindustrie Ost fordert:
- Kostenschätzungen dürfen nicht älter als zwei Jahre sein
- Langfristige Planung von Bauvorhaben sowie Verstetigung der Investitionen
- Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und Entbürokratisierung der Vergabe
Fachkräftenachwuchs den Weg ebnen
Unternehmen fällt es seit Jahren immer schwerer Nachwuchs zu finden. Die Ursachen liegen nicht nur in der mangelnden Bereitschaft der Jugendlichen für eine Ausbildung in der Baubranche, sondern auch in der mangelnden Ausbildungsbefähigung vieler Bewerber. Neben großen Wissenslücken in den MINT-Fächern vermissen die Ausbildungsbetriebe immer häufiger Kerntugenden wie Pünktlichkeit, Durchhaltevermögen sowie Ehrgeiz. Umso mehr müssen die Rahmenbedingungen für die Auszubildenden weiter verbessert werden. Das seit Januar 2021 verfügbare Azubiticket ist ein erster Schritt zur Verringerung der Mobilitätskosten Auszubildender. Eine Sachsen-Anhalt-weite Lösung mit einer Ausweitung auf Schüler, die Praktika oder Ferienjobs zur Berufsorientierung machen, wäre sinnvoll.
Die Bauindustrie Ost fordert:
- MINT-Fächern muss in den Lehrplänen eine größere Bedeutung zukommen
- Stetige Praxisangebote für Schulen ab der 7. Klasse
- Stärkung und Ausweitung des Azubitickets
Vergabegesetz Sachsen-Anhalt entbürokratisieren und Vergaben vereinfachen
Ein Vergabegesetz hat allein den Zweck zu erfüllen, öffentliche Vergabeprozesse effizient und transparent durchzuführen. Das Vergabegesetz Sachsen-Anhalt wird diesen Ansprüchen jedoch nicht gerecht. Die Bieter müssen zahlreiche Nachweise und Eigenerklärungen vorlegen, die zu einem großen bürokratischen Aufwand bei der Angebotsbearbeitung und einem erhöhten Kostenaufwand führen. Teilweise stehen die verlangten Nachweise im Zusammenhang mit politisch motivierten, sozialen und vergabefremden Aspekten. Beispielsweise sind Erklärungen zur Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen einzuhalten, die von den Bietern teilweise gar nicht überprüft werden können. Die Vergabe öffentlicher Aufträge muss für die öffentlichen Auftraggeber und die Unternehmer jedoch nach klaren und einfachen Regeln erfolgen.
Die Bauindustrie Ost fordert:
- Streichung der vergabefremden Aspekte aus dem Gesetz
- Reduzierung des Bürokratieaufwands auf das notwendige Maß
- keine Einführung eines vergabespezifischen Mindestlohns
Deponieknappheit entgegenwirken
Der Deponieraum ist knapp und die Transportwege betragen in einzelnen Regionen bis zu 200 km. Vor dem Hintergrund sich verknappender Deponiekapazitäten sind die Entsorgungskosten erheblich gestiegen und führen zu einer Kostenexplosion von Bauvorhaben, die auch die öffentliche Hand direkt betrifft. Rein statistisch betrachtet, befinden sich je 1.000 km² 4,2 Deponien in Westdeutschland und nur 0,5 in Ostdeutschland. Spitzenreiter unter den Flächenländern ist das Saarland mit rechnerisch 11,3 Deponien – unter den Schlusslichtern befindet sich auch Sachsen-Anhalt (0,6).
Die Bauindustrie Ost fordert:
- Ermittlung des Deponiebedarfs in den Bundesländern
- Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren
- Akzeptanz für Sekundärrohstoffe fördern
Zum Download: