Bau im Blick
Klimaschutz beim Bauen: Anspruchshaltung contra Ausschreibungswirklichkeit
Deutschland erhöht das Tempo auf dem Weg zur Klimaneutralität: Mit der Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes am 24. Juni 2021 hat der Bundestag seine Klimaziele angehoben und für die Jahre bis 2045 verbindliche Emissionsobergrenzen festgelegt. Danach soll bis zum Jahr 2045 – fünf Jahre früher als ursprünglich geplant – Klimaneutralität erreicht werden. Die verschärften Klimaschutzanforderungen betreffen neben anderen Schlüsselbranchen wie Verkehr und Energie auch den Bausektor. Den Umweltfußabdruck von Gebäuden, Wohn- und Nichtwohngebäuden einschließlich nachgelagerter Prozesse, bilanziert das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung auf rund 40 Prozent Anteil an den CO2-Emissionen.
Die Bauwirtschaft versteht sich als Gestalterin der Energiewende und ist mit innovativen Technologien, Bauverfahren und -prozessen bereits unterwegs auf dem grünen Weg. Ein deutlicher Innovationsschub hat sich in den vergangenen Jahren in Forschung, Entwicklung und auf den Baustellen vollzogen. Ob ressourcenschonende Baustoffe, serielle Planungs- und Produktionsmethoden, allen voran BIM, erfassen zunehmend sämtliche Gewerke des Bauens.
Auf die politischen Rahmenbedingungen kommt es an
Die Bauwirtschaft steht dabei in einem Spannungsfeld einer Vielzahl an Herausforderungen: Der gesamtgesellschaftlich notwendige Infrastrukturausbau kollidiert mit langwierigen, bislang wenig digitalisierten Planungs- und Genehmigungsverfahren. Der Einsatz von Recycling-Baustoffen als ein Baustein einer „grünen“ Lösung scheitert häufig an restriktiven Kriterien in den Ausschreibungen. Der proklamierte Vorrang von RC-Baustoffen gegenüber herkömmlichen Baustoffen ist in der Praxis noch nicht gegeben. Noch zu selten schreiben die Vergabestellen RC-Baustoffe aus. Diese Schieflage zwischen politischem Nachhaltigkeitsanspruch und der Ausschreibungstätigkeit der öffentlichen Hand gilt es mit Technologieoffenheit aufzulösen. So werden
derzeit mineralische Recycling-Baustoffe in der Mantelverordnung gegenüber Primärmaterialien benachteiligt und bilden in der Praxis oftmals Rohstoffe „zweiter Wahl“. Die Bauwirtschaft bekennt sich in verschiedenen Initiativen, unter anderem dem Netzwerk „Nachhaltig. Mineralisch. Bauen“ ausdrücklich zum Ziel der Klimaneutralität von Bauwerken über den gesamten Lebenszyklus hinweg mit zu den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft. Diese Zielsetzung sollte auch im Rahmen der Verordnungsgestaltung in den Blick genommen werden. Denn die erschwerten Bedingungen für den Einsatz von Recycling-Baustoffen verschärfen auf der anderen Seite die ohnehin prekäre Deponieknappheit.
Der notwendige Infrastrukturausbau ist nicht zuletzt davon abhängig, die insbesondere in Ostdeutschland akute Frage der Deponieknappheit zu lösen. Dies wird in der allgemeinen Debatte oftmals zum Politikum und letztlich für die Bauwirtschaft nicht gelöst. Die Realisierung von Bauprojekten setzt Deponiekapazitäten voraus und ist essentiell für die Lagerung von mineralischen Bauabfällen. Vor allem müssen möglichst regionale Deponiestätten geschaffen werden. Dies senkt nicht nur die Baukosten, sondern minimiert auch die CO2-Emissionen durch kurze Transportwege. Der politische Handlungsbedarf in der Deponiefrage ist hoch: Die in Ostdeutschland mit einer statistischen Größe von 0,4 Deponien je 100.000 Einwohner deutlich unterdurchschnittliche Deponiedichte spitzt sich aufgrund langer Planungsvorläufe weiter dramatisch zu. Die gesamtgesellschaftlichen Zukunftsinvestitionen und damit auch die Bauwirtschaft sind jedoch auf einen offenen, pragmatischen Diskurs und zügige Planungs- und Genehmigungsverfahren angewiesen, um abseits ideologischer Debatten Akzeptanz für ihre Bauprojekte zu
finden.
Dekarbonisierung umfasst den gesamten Baulebenszyklus
Für die Bauwirtschaft, aber auch für die politische Seite, ist es erforderlich, den gesamten Lebenszyklus des Bauens in den Blick zu nehmen. Nur wenn das Bauwerk als Ganzes betrachtet wird und die öffentliche Hand von der alleinigen Betrachtung der Baukosten abrückt, werden die Potenziale systemoptimierter und innovativer Technologien besser und schneller nutzbar. Auch die entsprechenden Förderprogramme müssen an diesen Bauwerksphasen zielgerichteter orientiert sein.
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