Wenn Welten sich verbinden - Mongolische Jugend startet Berufsweg im Bauwesen
Die Anwerbung und Ausbildung ausländischer Jugendlicher kann eine der Säulen zur Sicherung
der Fachkräfte der ostdeutschen Bauwirtschaft sein. Der Bau Bildung Sachsen-Anhalt e. V. baute eine strategische Allianz mit der Mongolei auf, vermittelt und betreut junge Erwachsene, die sich in Sachsen-Anhalt niederlassen und in der Bauwirtschaft ausgebildet werden wollen. Wir sprachen mit Sven Hellmich, Berater der Passgenauen Besetzung und Willkommenslotse von Bau Bildung Sachsen-Anhalt e. V., sowie Carola Tiemann, Ansprechpartnerin für Bewerbungen des BIVO Mitglieds Schottstädt & Partner Tiefbau GmbH, über die Chancen und Herausforderungen der Ausbildung von jungen Erwachsenen aus der Mongolei.
Mongolei trifft auf Sachsen-Anhalt. Das hört man nicht alle Tage. Wie kam es zu dem Kooperationsprojekt?
Sven Hellmich: Das Projekt entstand vor etwa 10 Jahren durch einen zufälligen Kontakt zwischen Herrn Bock, unserem ehemaligen ÜAZ-Leiter, und Frau Tuvd, die eine deutsche Sprachschule in der Mongolei führt. Die Idee war geboren, die Jugendlichen nach bestandener Sprachprüfung nach Deutschland zu vermitteln, was seit 2017 regelmäßig der Fall ist. Eine wirkliche Erfolgsgeschichte, die nachhaltig ist und nicht kommerziell organisiert ist.
Frau Tiemann, und dann hatten Sie zum ersten Mal Kontakt zu einer Person aus der Mongolei?
Carola Tiemann: So kann man das sagen. Dass man gute Auszubildende wie Goldstaub sucht, ist kein Geheimnis. Wir sind auf das Projekt von Bau Bildung Sachsen-Anhalt aufmerksam geworden und wollten dem eine Chance geben. Der Auswahlprozess läuft dabei zentral über Bau Bildung. Als Firma erstellen wir nur noch die finalen Ausbildungsverträge.
Herr Hellmich, da erhalten Sie viel Vertrauen von den Firmen. Wie gehen Sie selbst bei der Anbahnung vor?
Gibt es auch bürokratische Hürden?
Sven Hellmich: Das ist richtig. Ohne willige Firmen würde das Projekt nicht funktionieren. Die Unternehmen sehen den künftigen Auszubildenen
maximal via Videokonferenz vor der Vertragsunterzeichnung und vertrauen auf unsere Einschätzung. Ich war selbst vor Ort in der Mongolei und habe
mir ein Bild gemacht und halte Rücksprache mit den Interessenten. Die Antragstellung kann langwierig sein und hört nach dem Einreichen des Ausbildungsvertrages, des Deutschzertifikats (B1), des Passes und der Erklärung zur Beschäftigung durch die Firma nicht auf. Nachdem die Auszubildenden in Deutschland angekommen sind, erhalten sie ein Visum für 3 Monate bis zur Dauer der gesamten
Ausbildung. Ich unterstütze dann die Firmen bei der Visaverlängerung und Terminen beim Amt. Den Firmen müssen wir eine umfassende Unterstützung
geben, um den administrativen Aufwand zu minimieren. Die Unternehmen sollen sich auf die Ausbildung konzentrieren.
Frau Tiemann, wie kommunizieren Sie im Unternehmen bei der Ausbildung mit den Mongolen?
Carola Tiemann: Das Sprachniveau von B1 wird mit der Zeit besser. Es bringt nichts, wenn man versucht auf Englisch umzusteigen oder via Smartphone
den Sprachübersetzer zu aktivieren. Da hilft man den Jugendlichen nicht. Nicht zuletzt brauchen sie Deutsch für die Prüfungen. Spätestens da
fällt das Kartenhaus zusammen, wenn Deutsch nur elementar erlernt wurde. Die erste Generation mongolischer Azubis spricht meist gutes Deutsch. Spätere Gruppen haben größere Sprachprobleme, da sie sich privat eher untereinander auf Mongolisch austauschen und in gemeinsamen Wohnungen
wohnen. Es gibt auch kulturelle Herausforderungen. Mongolen fragen aus Höflichkeit und Zurückhaltung seltener nach, wenn sie etwas nicht verstehen.
Das Sprachverständnis wird aber meist durch die Arbeitspraxis besser.
Sven Hellmich: Das kann ich nur bestätigen. Die Sprache ist die größte Herausforderung. Die jungen Leute sind sehr motiviert und hatten ja auch einen längeren Weg hinter sich, bevor sie die Ausbildung beginnen. Wir haben bei Bau Bildung Sachsen-Anhalt eigenständig einen Berufssprachkurs initiiert, da es dies für die Baubranche noch nicht gibt. Hier gibt es dann fachsprachliches Deutsch von der Maurerkelle bis zum Gliedermaßstab.
Carola Tiemann: Zudem bekommen sie von uns über das IHK-Projekt »Vera« eine Prüfungsvorbereitung mit ehemaligen Ausbildern. So kann man das Projekt zum Erfolg führen.
Welche Motivation haben die Mongolen insgesamt? Wollen Sie nach der Ausbildung zurück in ihre Heimat oder in Ostdeutschland verbleiben? Geben
Sie uns gern einen Hintergrund.
Sven Hellmich: Die Bewerber kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten. Die Eltern sind Ärzte, Architekten aber auch Viehzüchter. Die Azubis müssen für den Sprachkurs meist ein Jahr in Ulaanbaatar leben, was bereits ein großer Kostenfaktor ist. Die Teilnahme an dem Projekt ist so teils familienfinanziert aber kein »Elitenprojekt«. Wenn die mongolischen Azubis einmal hier Fuß gefasst haben, wollen sie auch hierbleiben. Es gibt eine große, stabile, aber unauffällige Community, die in Leipzig ansässig ist. Auch aufgrund der Visathematik sind die mongolischen Auszubildenden zum Start meist schon 18 Jahre alt und sind schon reifer als andere Auszubildende in unserem Ausbildungszentrum.
Carola Tiemann: Das ist richtig. Die Azubis sind zwar 18 Jahre alt, aber trotzdem noch jung. Fernab der Familie benötigen sie ein familiäres Umfeld auch im Betrieb. So werden sie sozial mit eingebunden. Eine Rückkehr in die Mongolei haben wir auch noch nicht erlebt.
Das klingt nach einem tollen Projekt. Da ziehen doch andere Branchen und Bundesländer nach, oder?
Sven Hellmich: Es gibt wirklich eine wachsende Nachfrage nach mongolischen Azubis auch aus anderen Bundesländern. Sachsen-Anhalt setzt politisch
stärker auf Vietnam. Das Projekt mit der Mongolei ist direkt von uns initiiert. Der überwiegende Teil der Azubis kommt im Baugewerbe unter, wenngleich auch Pflegeberufe interessant werden. Innerhalb unserer Branche ist der Trockenbau stärkstes Einsatzfeld der Mongolen.
Wie sieht die Zukunft des Projekts aus?
Sven Hellmich: Für 2025 hätte ich 22 Ausbildungsplätze mit Mongolen besetzen können – es gibt mehr Nachfrage der Unternehmen als Angebot an Mongolen. Der Azubi-Pool ist begrenzt, da wie gesagt auch andere Bundesländer und Branchen Projekte starten. Dass die Betriebe aber mittlerweile aktiv nachfragen, zeigt, dass das Projekt gut ankommt und eine Zukunft hat. Das freut mich sehr.
Carola Tiemann: Wir können nur bestätigen, dass es sich lohnt, auch mongolische Jugendliche auszubilden. Auch in Zukunft werden wir an dem Projekt
partizipieren.
Herzlichen Dank für den Austausch.
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