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3 Fragen an ...

Professor Dr. eco. habil. Jan Schnellenbach Lehrstuhlinhaber Volkswirtschaftslehre, insbesondere Mikroökonomik der Brandenburgischen Technischen Universität Cottburs-Senftenberg

Welche gesamtwirtschaftlichen Effekte erwarten Sie durch die Umsetzung des Sondervermögens Infrastruktur – insbesondere mit Blick auf Ostdeutschland?

Prof. Dr. Jan Schnellenbach: Die Effekte werden vermutlich verzögert kommen. Wir haben ja bei weitem nicht so viele fertig geplante und genehmigte Projekte in Reserve. Einen größeren Nachfrageimpuls wird es daher wohl frühestens in vier, fünf Jahren geben. Dieser wiederum wird ein wenig dadurch gedämpft, dass Zinsen und Preise fürs Bauen insgesamt ansteigen werden, was die private Bautätigkeit etwas beeinträchtigen kann. Für langfristig positive Wachstumseffekte jenseits der Konjunktur wäre es gerade in Ostdeutschland wichtig, auch in den peripheren Regionen zu investieren und dort Erreichbarkeit und Attraktivität als Wohn- und Arbeitsorte zu stärken.

Sie sprechen sich für eine Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen aus den Kernhaushalten aus. Besteht aus Ihrer Sicht die Gefahr, dass Länder eigene Investitionsmittel durch Mittel aus dem Sondervermögen ersetzen – also de facto substituieren?

Prof. Dr. Jan Schnellenbach: Das Kriterium der Zusätzlichkeit ist zwar politisch vereinbart, aber institutionell nur unzureichend abgesichert. Im neuen Art. 143h GG ist von einer angemessenen Investitionsquote als Maßstab die Rede, aber diese Angemessenheit ist interpretierbar und letztlich mit einfacher Mehrheit zu beschließen. Wenn der Bund es bei sich selbst mit der Zusätzlichkeit nicht zu eng sieht, wird er bei der Prüfung der Pläne der Länder inklusive der Kommunen keine strengeren Maßstäbe anlegen können. Da trotz der neuen strukturellen Verschuldungsmöglichkeit in Höhe von 0,35 Prozent des BIP die Einnahmen der Länder sehr unflexibel bleiben, ist zu befürchten, dass diese sich zum Teil durch solche Substitutionen Luft verschaffen.

Sie weisen darauf hin, dass die Kapazitäten der Bauwirtschaft für ein Investitionsprogramm dieses Umfangs nicht ausreichen könnten. Unser Verband kommt auf Basis eigener Berechnungen zu einem anderen Ergebnis. Woher rührt Ihre skeptische Einschätzung?

Prof. Dr. Jan Schnellenbach: Das Statistische Bundesamt hat zuletzt die Auslastung des Baugewerbes mit 72,1 Prozent angegeben. Damit liegen wir zwar klar unter den historischen Höchstwerten von knapp über 80 Prozent vom Ende des vergangenen Jahrzehnts, aber im Langfristvergleich immer noch auf einem durchschnittlichen Niveau. Man muss sehen, dass es nicht erst bei 100 Prozent Auslastung kritisch wird, sondern dass erfahrungsgemäß preis- und kostentreibende Flaschenhälse schon bei Auslastungsquoten jenseits der 80 Prozent bedeutsam werden können. Ein starker Anstieg staatlicher Baunachfrage kann uns in diese Regionen bringen, was dann über Preiseffekte zu einer teilweisen Verdrängung privater Bautätigkeit führen kann.

 


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